Die Göttin

Begehrt, aber nie wirklich geliebt – wie ich meinen Körper zur Währung gemacht habe

1. Mai 2025

„Ich habe mich sexualisiert, um Liebe zu fühlen - Meine Geschichte über Sexualisierung und die Sehnsucht nach Zuneigung“

Diese Emojis 🍑🍆🍒 zieren meinen Handybildschirm. Ich spüre Neugierde, Aufregung und ein Kribbeln. Er schreibt mir. Er wirkt interessiert - auf eine verboten verruchte Art. Ich bekomme Komplimente zu meinem Körper. Er sagt mir, dass er „Titten“ bevorzugt und fragt mich in der gleichen Nachricht, wie viele „Typen“ meine „🍒“ schon angefasst haben. Ich - noch keine 15 Jahre alt - lüge. Um zu gefallen. Weil ich weiß, dass wenn ich die Wahrheit sage, war das die letzte Nachricht von ihm. Damals war mir nicht klar, was diese Grenzüberschreitung für Folgen haben wird. Heute weiß ich es. 


Die Liebe, die sich mein Herz wünscht, habe ich nie erhalten. Ich dachte, dass ich es nicht wert sei um meinetwillen, von anderen Menschen geliebt zu werden. Die Frage war irgendwann, wie ich trotzdem an irgendeine Art von „Liebe“ kommen kann. Wie kann ich trotzdem das Gefühl bekommen, besonders zu sein. Ich wollte diesen kleinen Funken Emotion und Liebe.  Mir wurde damals recht schnell klar, wie ich diese „feurige“ Art von Liebe bekomme. Über Sex. Ich wusste, lerne ich einen neuen Mann kennen, dauert es nicht lang und ich habe ihn an der Sexangel. Sie beißen an. Schnell. Ohne nach links und rechts zu schauen. Ich hatte nicht viel Arbeit, außer offen über Sex zu sprechen und deren Fantasien anzuregen. Der Rest hat sich von ganz alleine ergeben. 


Machst du einmal die „Sextür“ auf, rollst du quasi wie von selbst die Treppe runter. Und ja, ich sage bewusst „runter“, da diese Art von Liebe ein Höhenflug ist mit Potential ganz schnell zu fallen. Am Anfang macht es Spaß, es ist Schwung in der Sache und das Adrenalin lässt dich fliegen. Du fühlst dich begehrt, dein Selbstbewusstsein wird gestärkt - du merkst, welche Wirkung du auf ihn hast. Aber irgendwann ist diese Treppe zu Ende und du findest dich wortwörtlich auf dem Boden der Tatsachen wieder - dieser Mensch liebt die sexuelle Vorstellung mit dir, deinen Körper, deine „versaute“ Art. Aber nicht deine Seele. Nicht deine Emotion. Diese Wahrheit tut weh. Und ja, diese Wahrheit lässt dich dein ganzes Sein anders betrachten - dein Körper als Waffe - dein Körper als Währung - Zahlungsmittel für Liebe und Zuneigung. 


Ich weiß gar nicht, wie oft ich immer und immer wieder diese Treppe nach unten genommen habe und wie oft ich unten ankam und mir dachte „Fuck“. Es war wie als hätte die Liebesdroge ihre Wirkung verloren. Ich habe mich immer und immer wieder nach dem Gefühl gesehnt besonders zu sein, einzigartig und vor allem wertvoll. Wertvoll genug, dass er bleibt. Jedesmal, kurz bevor ich am Boden ankam, habe ich neue Menschen in mein Leben gezogen und alles ging von vorne los. Das ist eine unendliche Spirale. Und nach jahrelangem Training spulte sich das wie ein Film ab. Immer und immer wieder. 


Wie es heute ist? Mir bewusst. Ich kenne meine Muster. Ich kenne meine Strategie. Ich habe mich davon gelöst. Aber Routinen, die immer und immer wieder in die gleiche Wunde kratzen, verheilen nur langsam. Heute kann ich sagen, dass ich mich nach unendlich tiefer emotionaler Verbindung sehne. Das Gefühl, wenn beide Seelen miteinander tanzen. Liebe die auf Geben und Nehmen basiert. Wo zugehört und verstanden wird. Wo meine Emotionen und Gefühle Platz haben. Wo man sich stärkt und hält. Wo Liebe leicht ist.


Ich distanziere mich von sexualisierter Liebe. Und ja, ich habe verdammt gerne Sex. Und ja, ich rede ganz offen und ehrlich über weibliche Lust. Aber das ist verdammt nochmal keine Einladung, dass ich willig bin, mit jedem zu schlafen. Mein Körper ist Teil von mir und behütet meine Seele auf physischer Ebene. Das ist für mich nicht mehr trennbar. Willst du meinen Körper, dann willst du auch meine Seele. Aber deine sexualisierte Zuneigung will ich nicht mehr.

Wer hier schreibt?

Ich – Ronja Amelie.

Mama, Mentorin, Freigeist. Ich schreibe hier ehrlich, direkt und mitten aus dem Leben. Über das Frau-Sein, das Mutter-Sein, das Ich-Sein – und über all die verrückten, wundervollen und manchmal schmerzhaften Zwischenräume dazwischen.

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