Die Göttin
Offene Ehe, offenes Herz, blinde Seele – wie Nicht-Monogamie mich fast zerstört hätte

„Ich spielte die Selbstbestimmte, die keine Monogamie braucht – dabei war ich nur eine Frau mit gebrochenem Herzen, die verzweifelt versuchte, sich lebendig zu fühlen“

Ich war schon immer Sex positive. Ich liebte die Tiefe der Sexualität. Das Erforschen des eigenen Selbst. Das Erkunden meines Gegenübers auf so einer tiefen intimen Ebene. Die Grenzenlosigkeit und das Kribbeln.
Nach einer Geburt verändert sich alles. Das Denken, das Fühlen, das Handeln. Die eigenen Prioritäten, die Ansichten und schlussendlich auch der eigene Körper und die Beziehung zu dir selbst und zu deinem Partner. Mir fehlte der Kick. Ich sehnte mich nach Bestätigung, dass mein Körper noch begehrenswert ist. Dass ich immer noch „Frau genug“ bin. Ich war zu dem Zeitpunkt verheiratet. Ein gutes halbes Jahr. Ein Bekannter erzählte uns von einer App. FSK 18. Meine Neugierde war geweckt. Mein Mann war einverstanden. Ich lernte einen Mann kennen und ich spürte eine Verbindung zu ihm, die mich völlig aus der Bahn geworfen hat. Die Anziehung zu ihm - es war sofort ein „Match“. Und das war der Startschuss dafür, dass ich meine Vorstellung von Monogamie vollkommen in Frage gestellt habe.
Die einzige Erklärung, die für mich Sinn ergab, dass ich mich zu mehreren Menschen emotional und sexuell hingezogen fühle, war die, dass ich nicht monogam bin. Dass ich fähig bin mehrere Menschen intensiv zu lieben und mit mehreren Menschen sexuellen Kontakt zu pflege. Es war wie eine Droge. Es war ein Rausch. Es war aufregend. Ich habe von jedem Menschen andere Bedürfnisse befriedigt bekommen. Ich fühlte mich begehrt. Ich fühlte mich erfüllt. Eine Hubble aus der ich nicht mehr rauswollte. Eine Droge, die ich brauchte.
Meine Ehe Stück für Stück zu öffnen war ein Kampf. Es hat Monate gedauert und ganz ganz viele intensive Gespräche. Wir haben Grenzen gesetzt und diese Stück für Stück erweitert. Anfangs ging es mir nur um Sex, um die Lust, um den Reiz. Doch das war schnell nicht mehr genug für mich. Ich wollte mehr. Ich wollte Emotionalität. Ich wollte Zuneigung. Ich wollte wieder „eine Art Liebe“. Gegen Ende meiner Ehe waren mein Mann und ich so weit, dass wir beide gesagt haben „Ja - wir sind frei“. Wir können und dürfen verschieden intensive Verbindungen aufbauen und pflegen. Verschiedene Beziehung mit verschiedenen Menschen. Dieser Schritt hat sich angefühlt wie die absolute Erlösung. Ich dachte „endlich“. Endlich bekomme ich all das, wonach sich mein Herz und meine Seele sehnte. Ich war glücklich. Dachte ich.
Und dann kam der Schlag. Der Schlag, der mir bewusst gemacht hat, dass ich mich selbst fast 2 Jahre lang belogen habe. Dass ich zwei Jahre lang weggesehen habe. Dass ich nicht erkannt habe, um was es eigentlich geht. Dass ich leide. Dass ich kaputt war. Dass in mir eine Wunde war, die niemals auf diese Weise hätte heilen können. Dass mein Verstand automatisch entschieden hatte, dass eine „offene Ehe“ all das retten würde, was Stück für Stück immer mehr zerbrach. Als ich hinsah, erkannte ich, dass ich mich nach tiefer emotionaler Verbindung sehnte. Nach diesem Seelenpartner. Nach der Ergänzung. Nach tiefer Emotionalität. Ich wollte nicht viele verschiedene Beziehungen die man irgendwie versucht in Balance halten zu können. Ich wollte eigentlich nur DIE Beziehung. Die Beziehung, die auf reiner Liebe basiert. Auf Wachstum. Auf Vertrauen. Auf Geben und Nehmen. Auf vollständiger Akzeptanz und Unterstützung. Völlig wertfrei.
Ich hatte mich verrannt. Ich habe mich nach der Geburt meiner Tochter nicht neu lieben gelernt. Ich habe nicht in mich reingesehen. Ich habe meine tiefen Bedürfnisse, die neu entstanden sind durch meine neue Rolle als „Mama“, übersehen. Ich habe meine Grenzen überschritten. Ich habe mich, als neues Ich, nicht wahrgenommen. Und das war das Resultat: Pflaster drauf und gut ist.
Jetzt, Monate später, sitze ich hier und bin unendlich dankbar für diesen Weg. Ohne diesen Weg hätte ich nicht gewusst, was wir Frauen nach der Geburt tun sollten. Uns selbst neu entdecken. Mit all den neuen Eigenschaften, Gedanken, Bedürfnissen und Grenzen die dazukommen. Ich hätte nie erfahren, wonach ich mich sehne. Was meine Seele braucht. Was mich wirklich erfüllt und glücklich macht. Ob monogam, polyamor oder oder oder. Das A und O ist und bleibt hinzusehen. In dich reinzuhören, ob du nur ein Pflaster drauf klebst oder ob du wirklich damit heilst.

Wer hier schreibt?
Ich – Ronja Amelie.
Mama, Mentorin, Freigeist. Ich schreibe hier ehrlich, direkt und mitten aus dem Leben. Über das Frau-Sein, das Mutter-Sein, das Ich-Sein – und über all die verrückten, wundervollen und manchmal schmerzhaften Zwischenräume dazwischen.
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